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Albstadt - Städtische Galerie - Vergangene Sonderausstellungen
Albstadt - Städtische Galerie - Vergangene Sonderausstellungen
„VON DER NADEL ZUR FLEX"
19. Oktober 2008 bis 25. Januar 2009
Thomas Meier-Castel
Felix Hollenberg-Preis 2008

Im Oktober 2007 wurde der 7. Felix Hollenberg-Preisträger gekürt: Thomas Meier-Castel (20. Dezember 1949 – 23. September 2008).
Seinem Radierwerk, das innerhalb der zeitgenössischen Graphik eine herausragende Stellung einnimmt, gilt die Ausstellung. Im Zentrum der Preisträger-Ausstellung steht Meier-Castels künstlerische Entwicklung der letzten 10 Jahre. Begleitend zu seinem druckgraphischen Werk werden auch einige der seit 1999 parallel entstandenen Zeichnungen mit Enkaustik-Blöcken zu sehen sein.
Der jüngst verstorbene Künstler Thomas Meier-Castel arbeitete über 30 Jahren als leidenschaftlicher Radierer und beschritt dabei immer wieder neue Wege in der Erweiterung des Werkzeugspektrums – von der Radiernadel zur Flex – ebenso wie in der Öffnung zum großen Format.
 
Bereits in den 1980er Jahren verließ der Künstler mit Plattenformaten von 200 x 110 cm die traditionellen handlichen Formate der „Griffelkunst“. Einzigartig ist sein konzeptueller und zugleich experimenteller Ansatz in der Bearbeitung der Platten: Statt im Kleinen mit dem Radierstichel zu arbeiten, führte Thomas Meier-Castel unter Einsatz des ganzen Körpers modernste Industriegeräte – wie Flex, Schlagbohrer oder Parkettschleifer etc. – über seine Radierplatten oder arbeitete als „Freilichtradierer“ an historisch relevanten Orten. Auf der Basis der jeweiligen Gerätschaften entwickelte der Künstler ein differenziertes graphisches Vokabular aus dynamischen, kraftvollen Formationen sowie verblüffend zarten Strukturen in Schwarz-Weiß.
Thomas Meier-Castel
Speedways I, 2001
Kaltnadelradierung, 150 x 110 cm
   

Als Thomas Meier-Castel Ende der 1980er Jahre begann für den Prozess der Bearbeitung der Druckplatten sein Atelier zu verlassen, ging dies einher mit einer intensiven thematischen Auseinandersetzung mit dem historischen und tagesaktuellen politischen Geschehen. So zog es ihn 1989 zum Brandenburger Tor nach Berlin, wo er, ausgerüstet mit Stromaggregat und Flex, zwei Tage vor dem Fall der Mauer erstmals vor Ort als „Freilichtradierer“ seine 200 x 110 cm großen Druckplatten bearbeitete. Die Atmosphäre der räumlichen und politischen Situation wurde unmittelbar ins Metall übertragen, um im Atelier aufs Papier gebracht zu werden. Es folgten weitere Serien an historisch relevanten Plätzen wie z. B. den Schlachtfeldern von Verdun (siehe Plaktamotiv). Einen experimentellen Charakter birgt auch die Serie der Miles Out, für die der Künstler 1995 seine Druckplatten mit dem Auto und Motorrad über die Landstraßen Lothringens schleifte, um den zunehmenden Zerfall der immer stärker ramponierten Metallplatten in Zustandsdrucken zu dokumentieren.
 
Thomas Meier-Castel
Éclipse, 2004
Kaltnadelradierung
225 x 110 cm
Die zwischen 1999 und 2004 mit Hilfe von Bandschleifer und Parkettschleifmaschinen entstanden Serien Seismographics und Speedways weisen Formate von bis zu zwölf Quadratmeter auf. Der „Druckstock“ für die mehrteiligen Graphiken setzt sich aus bis zu 9 Kupferplatten mit je einer Größe von 110 x 200 cm zusammen. Während die vibrierenden Felder der Seismographics die Erdbebenwellen von 1999 bildlich umsetzen, erinnern die einzelnen Lineamente der Speedways an Bremsspuren, wie man sie auf unseren Autobahnen häufiger sieht. Thomas Meier-Castel erläuterte in einem Interview diese Assoziation mit dem „Unterwegs-Sein“, dem Reisen im Auto, und dem Erfahren von Zeit und Raum: „Meine Kunst erwächst aus permanentem Unterwegssein, die Radierspuren sind Seismographien von Begegnungen, Aufzeichnungen von allem, was es überhaupt gibt.“
 
     
Fast konträr zu diesem graphischen Spiel mit Rhythmen und Richtungen haben Arbeiten wie Éclipse einen überaus malerischen Charakter, der erstaunlicherweise vom Einsatz rotierender Scheibenaufsätze einer Parkettschleifmaschine herrührt. Für eine der jüngsten Werkserien, Fragil Networks, entwickelte der Künstler die Methode der „weißen Kaltnadel“. Hierbei wird das samtige Schwarz der klassischen Kaltnadelradierung durch eine leuchtend weiße Linie – einer Leerstelle des hellen Papiergrunds – ersetzt und erzielt durch das umgekehrte Spiel mit Licht und Schatten eine verwirrend räumliche Wirkung.  
Detail aus: Thomas Meier-Castel
Fragile Networks V, 2006
Kaltnadelradierung
2-teilig, 225 x 209 cm


Die Albstädter Werkschau zeigt deutlich, dass Thomas Meier-Castel den grundlegenden technischen Prinzipien der Kaltnadelradierung immer die Treue hielt, diese aber bis an ihre Grenzen erweiterte. Seiner radikalen Konzentration auf dies eine Medium entspringt eine Vielseitigkeit an Werkgruppen, wie man sie zunächst nicht vermutet: Die Eindrücke reichen von tiefschwarzen, fast bedrohlich wirkenden Kompositionen über samtig schimmernde Oberflächen bis hin zu metallisch strahlenden Figurationen – von malerischen Ansätzen zu beschwingten Linienformationen.

Überleitend zum „Jahr der Graphik“ 2009 präsentiert die Galerie Albstadt erweiternd die Vielfalt der technischen Möglichkeiten des Tiefdrucks in einer zeitgleichen Ausstellung aus eigenen Beständen. In Verbindung mit Exkursen zu verschiedenen Techniken des Tiefdrucks wird der enge Zusammenhang zwischen künstlerischer Idee und handwerklicher Ausführung deutlich.
 
Felix Hollenberg (1868-1945) als 'Patron‘ des Preises wird in seiner geradezu wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Technik der Ätzkunst vorgestellt. Anlass ist sein „Radierbuch“, das im Herbst 2008 in einer neuen, wissenschaftlich kommentierten Edition erscheint. Hollenbergs Verdienst ist es, vor gut 100 Jahren als Maler-Radierer (?Peintre-Graveur‘) der Original-Radierung wieder zu künstlerischer Bedeutung verholfen zu haben. Sein Thema war ausschließlich die Landschaft. Graphische Kostbarkeiten aus dem Sammlungsbereich „Das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb“ verdeutlichen Hollenbergs kunsthistorischen Standpunkt vor dem Hintergrund der Landschaftsdarstellung von Matthäus Merian d.Ä. bis hin zur Reproduktionsgraphik des 19. Jahrhunderts.  
Felix Hollenberg
Lautertal mit Wartstein, 1926
Ätzradierung
(Platte I zum Radierbuch)

Ein Rückblick auf die bisherigen Hollenberg-Preisträger seit 1992 – Jürgen Palmtag, Dietrich Klinge, Thomas Ruppel, Petra Kasten, Hanns Schimansky und Ulrich Brauchle – zeigt die Vielfalt der künstlerischen und technischen Möglichkeiten des Tiefdrucks unserer Zeit.
„VON DER NADEL ZUR FLEX"
19. Oktober 2008 bis 25. Januar 2009
 
Thomas Meier-Castel
Felix Hollenberg-Preis 2008


Im Oktober 2007 wurde der 7. Felix Hollenberg-Preisträger gekürt: Thomas Meier-Castel (20. Dezember 1949 – 23. September 2008).
Seinem Radierwerk, das innerhalb der zeitgenössischen Graphik eine herausragende Stellung einnimmt, gilt die Ausstellung. Im Zentrum der Preisträger-Ausstellung steht Meier-Castels künstlerische Entwicklung der letzten 10 Jahre. Begleitend zu seinem druckgraphischen Werk werden auch einige der seit 1999 parallel entstandenen Zeichnungen mit Enkaustik-Blöcken zu sehen sein.
Der jüngst verstorbene Künstler Thomas Meier-Castel arbeitete über 30 Jahren als leidenschaftlicher Radierer und beschritt dabei immer wieder neue Wege in der Erweiterung des Werkzeugspektrums – von der Radiernadel zur Flex – ebenso wie in der Öffnung zum großen Format.

Bereits in den 1980er Jahren verließ der Künstler mit Plattenformaten von 200 x 110 cm die traditionellen handlichen Formate der „Griffelkunst“. Einzigartig ist sein konzeptueller und zugleich experimenteller Ansatz in der Bearbeitung der Platten: Statt im Kleinen mit dem Radierstichel zu arbeiten, führte Thomas Meier-Castel unter Einsatz des ganzen Körpers modernste Industriegeräte – wie Flex, Schlagbohrer oder Parkettschleifer etc. – über seine Radierplatten oder arbeitete als „Freilichtradierer“ an historisch relevanten Orten. Auf der Basis der jeweiligen Gerätschaften entwickelte der Künstler ein differenziertes graphisches Vokabular aus dynamischen, kraftvollen Formationen sowie verblüffend zarten Strukturen in Schwarz-Weiß.

Thomas Meier-Castel
Speedways I, 2001
Kaltnadelradierung, 150 x 110 cm

 

 

 

 

Als Thomas Meier-Castel Ende der 1980er Jahre begann für den Prozess der Bearbeitung der Druckplatten sein Atelier zu verlassen, ging dies einher mit einer intensiven thematischen Auseinandersetzung mit dem historischen und tagesaktuellen politischen Geschehen. So zog es ihn 1989 zum Brandenburger Tor nach Berlin, wo er, ausgerüstet mit Stromaggregat und Flex, zwei Tage vor dem Fall der Mauer erstmals vor Ort als „Freilichtradierer“ seine 200 x 110 cm großen Druckplatten bearbeitete. Die Atmosphäre der räumlichen und politischen Situation wurde unmittelbar ins Metall übertragen, um im Atelier aufs Papier gebracht zu werden. Es folgten weitere Serien an historisch relevanten Plätzen wie z. B. den Schlachtfeldern von Verdun (siehe Plaktamotiv). Einen experimentellen Charakter birgt auch die Serie der Miles Out, für die der Künstler 1995 seine Druckplatten mit dem Auto und Motorrad über die Landstraßen Lothringens schleifte, um den zunehmenden Zerfall der immer stärker ramponierten Metallplatten in Zustandsdrucken zu dokumentieren.

Thomas Meier-Castel
Éclipse, 2004
Kaltnadelradierung
225 x 110 cm

 

 

 

 

 

 

Die zwischen 1999 und 2004 mit Hilfe von Bandschleifer und Parkettschleifmaschinen entstanden Serien Seismographics und Speedways weisen Formate von bis zu zwölf Quadratmeter auf. Der „Druckstock“ für die mehrteiligen Graphiken setzt sich aus bis zu 9 Kupferplatten mit je einer Größe von 110 x 200 cm zusammen. Während die vibrierenden Felder der Seismographics die Erdbebenwellen von 1999 bildlich umsetzen, erinnern die einzelnen Lineamente der Speedways an Bremsspuren, wie man sie auf unseren Autobahnen häufiger sieht. Thomas Meier-Castel erläuterte in einem Interview diese Assoziation mit dem „Unterwegs-Sein“, dem Reisen im Auto, und dem Erfahren von Zeit und Raum: „Meine Kunst erwächst aus permanentem Unterwegssein, die Radierspuren sind Seismographien von Begegnungen, Aufzeichnungen von allem, was es überhaupt gibt.“

Detail aus: Thomas Meier-Castel
Fragile Networks V, 2006
Kaltnadelradierung
2-teilig, 225 x 209 cm

 

 

 

 

Fast konträr zu diesem graphischen Spiel mit Rhythmen und Richtungen haben Arbeiten wie Éclipse einen überaus malerischen Charakter, der erstaunlicherweise vom Einsatz rotierender Scheibenaufsätze einer Parkettschleifmaschine herrührt. Für eine der jüngsten Werkserien, Fragil Networks, entwickelte der Künstler die Methode der „weißen Kaltnadel“. Hierbei wird das samtige Schwarz der klassischen Kaltnadelradierung durch eine leuchtend weiße Linie – einer Leerstelle des hellen Papiergrunds – ersetzt und erzielt durch das umgekehrte Spiel mit Licht und Schatten eine verwirrend räumliche Wirkung.

Die Albstädter Werkschau zeigt deutlich, dass Thomas Meier-Castel den grundlegenden technischen Prinzipien der Kaltnadelradierung immer die Treue hielt, diese aber bis an ihre Grenzen erweiterte. Seiner radikalen Konzentration auf dies eine Medium entspringt eine Vielseitigkeit an Werkgruppen, wie man sie zunächst nicht vermutet: Die Eindrücke reichen von tiefschwarzen, fast bedrohlich wirkenden Kompositionen über samtig schimmernde Oberflächen bis hin zu metallisch strahlenden Figurationen – von malerischen Ansätzen zu beschwingten Linienformationen.

Überleitend zum „Jahr der Graphik“ 2009 präsentiert die Galerie Albstadt erweiternd die Vielfalt der technischen Möglichkeiten des Tiefdrucks in einer zeitgleichen Ausstellung aus eigenen Beständen. In Verbindung mit Exkursen zu verschiedenen Techniken des Tiefdrucks wird der enge Zusammenhang zwischen künstlerischer Idee und handwerklicher Ausführung deutlich.

 

 

 

Felix Hollenberg (1868-1945) als 'Patron‘ des Preises wird in seiner geradezu wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Technik der Ätzkunst vorgestellt. Anlass ist sein „Radierbuch“, das im Herbst 2008 in einer neuen, wissenschaftlich kommentierten Edition erscheint. Hollenbergs Verdienst ist es, vor gut 100 Jahren als Maler-Radierer (?Peintre-Graveur‘) der Original-Radierung wieder zu künstlerischer Bedeutung verholfen zu haben. Sein Thema war ausschließlich die Landschaft. Graphische Kostbarkeiten aus dem Sammlungsbereich „Das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb“ verdeutlichen Hollenbergs kunsthistorischen Standpunkt vor dem Hintergrund der Landschaftsdarstellung von Matthäus Merian d.Ä. bis hin zur Reproduktionsgraphik des 19. Jahrhunderts.

Felix Hollenberg
Lautertal mit Wartstein, 1926
Ätzradierung
(Platte I zum Radierbuch)

 

 

 

Ein Rückblick auf die bisherigen Hollenberg-Preisträger seit 1992 – Jürgen Palmtag, Dietrich Klinge, Thomas Ruppel, Petra Kasten, Hanns Schimansky und Ulrich Brauchle – zeigt die Vielfalt der künstlerischen und technischen Möglichkeiten des Tiefdrucks unserer Zeit.