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Albstadt - Stadtteil Truchtelfingen
Albstadt - Stadtteil Truchtelfingen

950 ist der Ort erstmals erwähnt, und zwar in einer Urkunde des Kaisers Otto der Große. Der Kaiser bestätigt in dieser Urkunde eine Schenkung seines Sohnes Luitof, an das Kloster Reichenau, wodurch das Kloster den gesamten Besitz des Herzogs in Truchtelfingen erhielt. Truchtelfingen ist jedoch mit Sicherheit wesentlich älter und dürfte wie alle auf -ingen endenden Siedlungen im Zuge der Landnahme durch die Alemannen nach der Vertreibung der Römer (260 n.Chr.) gegründet worden sein - wie aus dem Ortsnamen zu erschließen, von einem Sippenhäuptling namens Truchtolf. Die genannten Güter sind in der Folgezeit von der Reichenau an das Kloster St. Gallen gekommen, denn letzteres besaß im 12. Und 13. Jahrhundert den größten Teil von Truchtelfingen. Im Laufe des 14. Jahrhunderts kam der St. Gallener Besitz an die Herrschaft Schalksburg, die wiederum 1403 an das Haus Württemberg gelangte. Das Truchtelfinger Wappentier - der schwarze, aufrecht schreitende Bär auf silbernem Grund (1918 als Gemeindewappen angenommen) - soll an die einstige Zugehörigkeit zu St. Gallen erinnern.

Als ältester Ortsteil sind die Hofgruppen südlich der Kirche anzusprechen. Die Kirche selbst wurde allem Anschein nach im 9. Jahrhundert vom Kloster St. Gallen gegründet und hat, wie nicht anders zu erwarten, den heiligen Gallus als Patron (erstmals urkundlich belegt 1462). Bis zur Reformation wirkte das Kloster St. Gallen über das Präsentationsrecht bei der Einsetzung der Pfarrer mit. Übrigens hatte der Truchtelfinger Pfarrer im Mittelalter für die Gemeinde einen Zucht-Eber zu halten. Dies allerdings nur bis zum Jahr 1534, als in Truchtelfingen wie in alle anderen württembergischen Orten die Reformation eingeführt wurde. die Kirche selbst stammt aus dem Jahr 1732, der Turm hingegen mit seinem ausgesprochen wehrhaften Charakter stammt aus gotischer Zeit.

Im Dreißigjährigen Krieg scheint der Ort weniger Schäden erlitten zu haben als das benachbarte Tailfingen, denn von 1639 bis 1651 war Tailfingen, das während dieser Zeit keinen eigenen Pfarrer hatte, nach Truchtelfingen eingepfarrt.

Während die Industrialisierung in den benachbarten Orten Ebingen (im Süden) und Tailfingen (im Norden) seit etwa 1870 die Bevölkerungszahlen sprunghaft ansteigen ließ, folgte Truchtelfingen dieser Entwicklung sehr zögerlich und sehr verhalten. 1820 zählte der Ort 862 Einwohner; 50 Jahre später waren es kaum mehr, nämlich 894. 1899 zeigten sich allmählich doch gewisse Auswirkungen des Industrie-Zeitalters mit dem Bau der ersten Truchtelfinger Fabrik. Trotzdem bewahrte Truchtelfingen auch weiterhin sein dörfliches Gepräge. So herrschte noch 1961 im ortskern das Bauernhaus vor. Dies änderte freilich nichts daran, dass Truchtelfingen Anschluss an die neue Zeit fand - 1902 erhielt der Ort eine Wasserleitung, es folgten 1906 der Anschluss an das Tailfinger Gaswerk, 1912 die Straßenbeleuchtung mit Gaslaternen und wenig später die Einführung des elektrischen Lichts - zunächst 1913 in den öffentlichen Gebäuden, im folgenden Jahr allgemein.

Das überaus rasche Anwachsen der Industrie in den beiden Nachbarorten Tailfingen und Ebingen brachte es mit sich, das bereits kurz nach der Jahrhundertwende der Durchgangsverkehr in Truchtelfingen ein unerträgliches Ausmaß erreicht hatte. Bereits 1911 wurden an der Hauptstraße Verbotstafeln aufgestellt, welche die Autofahrer zur Verminderung ihrer Geschwindigkeit veranlassen sollten. Die große Nähe der beiden benachbarten Industrieorte hatte für die Truchtelfinger indessen durchaus auch großen Nutzen, setzte sie doch eine beträchtliche Anzahl von ihnen in Lohn und Brot, was zu einer Erhöhung der Einwohnerzahl führte: Zählte der Ort 1871 noch 894 Bürger, so waren es 1910 bereits fast doppelt so viel, nämlich 1469.

Als bedeutendster Truchtelfinger kann der Pfarrerssohn Hermann Essig gelten. 1878 geboren, studierte er zunächst an der Technischen Hochschule in Stuttgart, bis ihn 1902 eine schwere Lungenerkrankung zu einem Kuraufenthalt in der Schweiz zwang, wo er sich der Schriftstellerei zuwandte. Ab 1904 lebte er in Berlin, zunächst als Ingenieur, dann als freier Schriftsteller. Der literarische Erfolg ließ einige Jahre auf sich warten: Erst 1909 erschien seine erstes Werk in Buchform. Nach verschiedenen Lungenerkrankungen starb er 1918 in Berlin.

Drei Grundthemen lassen sich in Essigs Dramen und Prosawerken feststellen: eine gegen das Bürgertum gerichtete Sozialkritik, die Isolation des Einzelnen und die Absurdität der menschlichen Existenz. Ist in seinen Dramen der Realismus vorherrschend (stilistische und inhaltliche Bezüge zu den Dramen Gerhard Hauptmanns, Hermann Sudermanns und Frank Wedekinds sind nicht übersehbar), so findet sich in den Prosawerken häufig eine märchenähnliche Grundkonstellation. In einem großen Teil seiner Dramen zeigt Essig seine Heimatverbundenheit; die Lustspiele sind fast ausnahmslos im Truchtelfingen seiner Kindheit angesiedelt.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Truchtelfingen von einem seiner beiden großen Nachbarn geschluckt (sprich: eingemeindet) wurde - so 1934 unter nationalsozialistischem Druck geschehen. Fortan teilte der Ort die Geschicke Tailfingens, das auf Truchtelfinger Gemarkung 1960 ein Krankenhaus (heute: Sana-Klinik) und 1967 die Zollern-Alb-Halle baute. Erst mit der Albstadtgründung löste sich Truchtelfingen aus der engen Verbindung mit dem Nachbarort zeigt als eigener Ortsteil Albstadts wieder etwas mehr Identität.
Truchtelfingen hat heute etwa 3.100 Einwohner.